PD Dr. habil. Helmut Brentel Consulting & Training in Higher Education
PD Dr. habil. Helmut BrentelConsulting & Training in Higher Education

Good-Practice-Example: Supervisors Training

 

Der nachfolgende Artikel wurde als Beitrag veröffentlicht in der UniWiND-Publikation Bd. 4,
"Betreuung Promovierender - Empfehlungen und Good Practice für Universitäten und Betreuende".

The article below has been published in the UniWiND Publication, Issue 4, Freiburg 2014

 

Supervisors Training: Workshops für Betreuende

Die Aus- und Fortbildung von Hochschullehrern in der Betreuung von Promovierenden stellt eine ganz wesentliche Voraussetzung und Bedingung für den Erfolg und die Qualität der Promotion dar. Dies ist – mit Ausnahme einiger sehr guter Ansätze in skandinavischen Ländern – in Deutschland wie im gesamten Kontinentaleuropa lange Zeit nicht zureichend erkannt und berücksichtigt worden. Die zu einer hervorragenden Betreuung von Promovierenden erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wurden qua Habilitation und Forschungserfahrung schlicht als gegeben vorausgesetzt, ein Ausbildungsansinnen eher als Zumutung und Zeitvergeudung denn als hilfreiche und wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung im internationalen Wettbewerb der Hochschulen angesehen. 

Im Kontrast dazu hatten sich insbesondere in Australien und  Großbritannien bereits seit den 90er Jahren Best-Practice-Modelle einer Betreuungskultur entwickelt, in der es für die britischen und australischen Kollegen längst selbstverständlich geworden ist, ein 'Supervisors Training' auf freiwilliger oder verpflichtender Basis durchzuführen, Konzepte, Methoden und Tools zur Betreuung von Promovierenden zu entwickeln sowie die gemachten Erfahrungen anschließend zu publizieren. Erfreulicherweise hat, angestoßen durch die Empfehlungen von UniWiND, DFG und Wissenschaftsrat und durch die transnationale Zusammenarbeit in der European University Association (EUA), auch hierzulande ein Umdenken und ein nachholender Prozess eingesetzt, so dass seit einigen Jahren zunehmend deutsche Universitäten Workshops zur Aus- und Fortbildung von Betreuenden anbieten.

Ich möchte im Folgenden über die Konzeption und Wirkung der Workshops zur Promotionsbetreuung berichten, die ich als Berater und Trainer seit 2011 für deutsche und europäische Universitäten durchgeführt habe.[1] Es handelt sich um zweitägige Initial-Workshops für Betreuende, die noch eher am Anfang ihrer Betreuungspraxis stehen, um eintägige Follow-Up-Workshops nach ca, 6 Monaten, um eintägige Workshops für Direktoren von Graduiertenschulen, um Workshops zur Ausbildung zukünftiger Trainers of Supervisors, sowie um eintägige Einführungsworkshop für Promovierende mit dem Ziel, auch ihnen einen Zugang zum Stand der Konzepte und Techniken guter Promotionsbetreuung zu ermöglichen. Auf diese Weise können sich Betreuende wie Betreute auf einem in etwa gleichen Kenntnisniveau über das Betreuungsgeschehen und die Betreuungsbeziehung austauschen und verständigen.

Der Einführungsworkshop ‚Professionalisierung der Promotionsbetreuung’ hat zum Ziel die Teilnehmenden innerhalb von zwei Tagen mit den wesentlichen Kenntnissen und Fähigkeiten des internationalen State of the Art in der Promotionsbetreuung vertraut zu machen und sie zu befähigen die Konzepte und Instrumente in Bezug auf ihre Betreuungserfordernisse anzupassen und erfolgreich einzusetzen. Es handelt sich um ein integriertes Konzept bestehend aus 5 Schlüsselmodulen

  • zu der internationalen Entwicklung in der Promotionsbetreuung,
  • zur Promotionsbiographie, einem Monitoring- und Übersichts-Tool, das Betreuenden und Promovierenden hilft sich den Promotionsprozess in allen Phasen, Einzelelementen und unterstützenden Betreuungs- und Qualifizierungsinstrumenten zu vergegenwärtigen,   
  • zum Wandel der Rollen der Betreuenden, der Bedeutung der Klärung der wechselseitigen Erwartungen von Betreuenden und Promovierenden und der Entwicklung einer produktiven Betreuungsbeziehung,
  • zu den Kriterien, Strategien und Techniken der Auswahl von Promovierenden
  • und zur frühzeitigen Identifizierung von Warnsignalen sowie der Verfahren und Techniken der Analyse und Lösung von Problemen während der Betreuung des Promotionsprojektes.

Die Module des Workshops sind integriert in dem Sinne, dass sie sich in ihren Inhalten und in den durch sie vermittelten Fähigkeiten der Betreuenden wechselseitig bedingen und voraussetzen, um die Synergieeffekte einer produktiven und sehr erfolgreichen Betreuungsleistung und Betreuungsbeziehung zu realisieren.

Entscheidend für das Gelingen von Supervisors Trainings sind zwei Dinge: einerseits die  ausführliche Erläuterung und Vermittlung von professionellem Wissen und die Rückbindung an die Betreuungserfahrung des Trainers, zum anderen eine Vorgehensweise, in der die Teilnehmenden - ausgehend von ihren Problemen, Erfahrungen und Erwartungen - ermutigt und in die Lage versetzt werden, das Gespür und das Bewusstsein für Aufgaben und Herausforderungen der Promotionsbetreuung zu erweitern und die für sie passenden Problemanalysen und -lösungen selbst erarbeiten. Dazu dienen insbesondere die Gruppenarbeotsphasen nach der Präsentation und Diskussion der Module. Die Chance - und die ausreichende Zeit - für die Diskussion und den Erfahrungsaustausch über Disziplingrenzen hinaus, stellt einen der ganz großen Vorteile eines solchen Workshops für die häufig von Zeizwängen umstellten und mit ihren Betreuungsproblemen allein gelassenen Betreuenden dar.

Zum Abschluss des Workshops werden die Teilnehmenden in einer einstündigen Intervisions-Übung mit einem Verfahren der kollegialen Beratung bzw. einer Coaching-Technik für Gruppen vertraut gemacht, mit der ein problematischer Betreuungsfall vorgestellt und gemeinsam Lösungsansätze erarbeitet werden können. Der Workshop beinhaltet zudem ein Einführung in die englischsprachige Literatur zu Promotionsbetreuung, zeigt wo sich umfagreiche Materialien und Ressourcen im Internet finden lassen und wie das Arbeiten mit einem Toolkit (von Arbeitsblättern, Checklisten, Fragebögen, Leitlinien und Musterformularen bspw. für Fortschrittsberichte) die Betreuungstätigkeit sehr erleichtern und systematisieren kann.

Im Follow-Up-Workshop berichten die Betreuenden über ihre Erfahrungen, Vorgehensweisen und Erfolgserlebnisse bei der Nutzung der gewonnenen Anregungen und Einsichten und diskutieren ihre Fallbeispiele und Betreuungsprobleme in weiteren Intervisionsübungen. Dieser Workshop zielt zudem auf die Intensivierung des Arbeitens mit Betreuungswerkzeugen (supervisory tools) und vermittelt Kenntnisse zur Ausarbeitung von Betreuungsinstrumenten, die auf die jeweils gegebenen Erfordernisse zugeschnitten sind.

Ziel dieser Workshopkonzepte ist es, dass die Betreuenden den Wert und die Erfolgsbedingungen nicht nur der erforderlichen Einzelelemente und Module, sondern einer umfassenden Betreuungs-Kultur verstehen und schätzen lernen, die sie durch ihre individuellen und gemeinsamen Aktivitäten überhaupt erst schaffen, erfinden und kreieren. Insofern wurde der Begriff der Professionalisierung im Workshop Titel sehr bewusst und mit  Nachdruck gewählt. Denn es geht in der Aus- und Fortbildung der Fähigkeiten zu hervorragender Promotionsbetreuung eben um deutlich mehr als um Rezepte, Tipps und Tricks. Es geht um das Bewusstsein und das Selbstverständnis zur gemeinsamen Fortentwicklung der individuellen und institutionellen Fähigkeiten zur Promotionsbetreuung auf hohem Niveau – also um einen professionellen Anspruch und um das Selbstverständnis aller Beteiligten, dass ein herausragender Qualitätsstandard der Promotion nur durch die Zusammenarbeit und Kreativität der Betreuenden selbst erreicht werden kann. Nur sie selbst sind letztendlich in der Lage die erforderlichen Konzepte und Betreuungsinstrumente zu entwickeln und zu verbreiten. Dieses übergeordnete Qualifikationsziel betrifft den Wandel des Selbstbildes der Betreuenden als Designer und Gestalter innovativer und effektiver Betreuungskonzepte und als sensible Berater ihrer Promovierenden.

Eine solche Vorgehensweise möchte ich an dem Best-Practice-Beispiel erläutern, das die Universität Rovira i Virgili in Tarragona zurzeit mit einem über drei Jahre laufenden Pilotprojekt zur Qualifizierung von Promotionsbetreuenden vorgibt. Dort wurde nicht der Fehler gemacht, nur hin und wieder ein Supervisors Training für einige Wenige in das universitäre Fortbildungsangebot einzustreuen. Ausgangspunkt war vielmehr die strategische Überlegung, dass die Qualifizierung von Promotionsbetreuenden nur dann zu einer nachhaltigen Veränderung und Verbesserung der Betreuungskultur führen kann, wenn es gelingt eine genügend große Anzahl von insbesondere jüngeren Betreuenden in einem überschaubaren Zeitraum in das Workshopprogramm einzubinden. Insofern haben wir uns das für eine Universität mittlerer Größe ambitionierte aber realistische Ziel gesetzt 120 Betreuende in 5 Workshopzyklen mit je zwei Initial- und einem Follow-Up-Workshop von 2012 bis 2015 auszubilden. Hervorzuheben ist, dass sich bereits nach dem zweiten Workshopzyklus aus dem Teilnehmerkreis heraus, eine community of best practice in research supervision zusammengefunden hat, die sich regelmäßig zu einem supervisors lunch time meeting trifft und auch über die Workshops hinaus ihre Erfahrungen austauscht.

Dies ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie aus Workshops zur Promotionsbetreuung neue, umfassendere Betreuungskonzepte und -strategien erwachsen können. Es zeigt, wie  jüngere sehr engagierte ebenso wie einige erfahrene Betreuende die Sache mit Unterstützung der Universitätsleitung, der Doctoral School und des Exzellenzcampus in die Hand nehmen und dazu beitragen können, ein längerfristiges Gesamtkonzept zur Promotionsbetreuung auf den Weg zu bringen. Dazu gehört in Tarragona auch das im Herbst 2014 gestartete Workshopprogramm eines Training for Trainers of Supervisors (tts), durch das über einen Grundlagenworkshop, Übungsarbeiten zur eigenständigen Modulentwicklung und folgende Trainingsassistenzen einige Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer aus dem Teilnehmerkreis der bisherigen Workshops als künftige Trainers of Supervisors ausgebildet werden.

Das Feedback zur Wirkung der Workshops war sehr positiv und ermutigend. Die Teilnehmenden berichten, dass die Veränderungen ihrer Betreuungsstrategien und ihrer Kommunikationsweisen bereits in den ersten Wochen nach dem Workshop zu deutlicher Verbesserung des Betreuungsverhältnisses und der Motivation und Produktivität ihrer Promovierenden geführt haben, dass Fehlentscheidungen bei Auswahlprozessen sowie  Probleme und Konflikte in der Betreuung noch rechtzeitig erkannt und vermieden oder einfacher aufgelöst werden konnten.[2]

 

 

[1] Die in diesem Text beschriebenen Workshops wurden mit Bezug auf den Stand der Literatur über Research Supervision und die Impulse aus EUA-CDE-Konferenzen und UNICA-Master Classes seit 2009 entwickelt. In Deutschland haben sich eine Reihe solcher Ansätze herausgebildet, die an die zentralen Themen und Probleme der Promotionsbetreuung und den internationalen State of the Art anknüpfen und diese an ihre Zwecke und Formate anpassen. Bei gemeinsamen Grundlagen unterscheiden sie sich in den inhaltlichen, modularen und pädagogischen Konzepten. Beispiele sind das Seminar des DHV und der Workshop des Qualitätszirkels Promotion, zu dessen Entwicklung ich beigetragen hatte, ein anderes Beispiel die Zusammenarbeit mit Ute Kämper, bei der wir einen auf die Bedürfnisse der Universität Göttingen zugeschnittenen Workshop entwickelt und seit Beginn 2014 mehrfach erfolgreich durchgeführt haben.

 

[2] Eine dieser Erfolgsgeschichten wird in einen VIdeo der Universität Tarragona vorgestellt.
      (www.youtube.com/watch?v=Tv78-esxSgQ)